Als Uerdingen und 1860 um den Bundesliga-Aufstieg kämpften

Treue. Liebe. Tradition.

Wir blicken auf die Saison 1993/94 zurück, an deren Ende Uerdingen und 1860 München letztmals in die Bundesliga aufstiegen sind und sich auf dem Weg dorthin ein packendes Rennen lieferten.

Vor der Spielzeit 1993/94 zählten weder die Uerdinger noch die „Sechzger“ zum engeren Kreis der Aufstiegskandidaten. Die Münchener waren gerade erst aus der Bayernliga aufgestiegen. Dies war dem TSV auch schon zwei Jahre zuvor gelungen, doch damals folgte bereits nach nur einem Jahr Zweitklassigkeit der erneute Abstieg in den Amateurbereich. Dies sollte unter dem neuen Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser und Aufstiegstrainer Werner Lorant nicht noch einmal passieren. Beide waren nach dem Abstieg 1992 zu den Löwen gekommen und hatten den ehrgeizigen Plan, den TSV in den kommenden Jahren wieder in die Bundesliga zu führen, aber mit einem direkten Durchmarsch ins Fußballoberhaus hatte vor der Saison niemand gerechnet.

Mit nur 17 Spielern ging Uerdingen in die Saison

Uerdingen war in der Spielzeit zuvor zwar noch erstklassig, musste seinerzeit jedoch durch die neue Ausrichtung des Hauptsponsors in der 2. Liga starke finanzielle Zugeständnisse machen. So musste Trainer Friedhelm Funkel den Verlust einiger gestandener Leistungsträger wie Stephan Paßlack, Dirk Bremser, Markus Kranz oder Andreas Sassen hinnehmen und ging mit einem Kader von nur 17 Spielern in die neue Saison.

Zum Auftakt der neuen Spielzeit ging der TSV 1860 mit 0:4 in Rostock unter, startete anschließend aber eine Serie, die ihn schnell in die Spitzengruppe katapultierte. Bei den Neuzugängen hatten die Löwen ein extrem gutes Händchen bewiesen. Insbesondere das neu verpflichtete Sturmduo zeigte schon bald seine enorme Qualität. Der Österreicher Peter Pacult, der vom FC Linz gekommen war, erzielte 18 Saisontore und sein Sturmpartner Bernhard Winkler vom 1. FC Kaiserslautern war nicht minder torgefährlich und kam auf 16 Treffer. Zur Winterpause rangierte die Lorant-Elf mit 26 Zählern hinter dem VfL Bochum auf dem 2. Tabellenplatz. Bei der damaligen Zwei-Punkte-Regel war der Vorsprung der Löwen auf Rang 4 mit vier Zählern bereits so komfortabel, dass man sich den plötzlich realistisch gewordenen Aufstieg in der Rückrunde nun nicht mehr nehmen lassen wollte.

Die Abwehr um Rahner, Gorlukowitsch, Kutschera und Peschke zählte zu den stärksten der Liga

Uerdingen lag nach der Hinrunde nur auf dem 9. Tabellenplatz, sechs Punkte hinter 1860. Nach zwei Niederlagen zum Saisonauftakt, fing sich die Mannschaft und kam erst in der Folge langsam in Tritt. Am 12. Spieltag siegten die Uerdinger im Duell mit den Löwen mit 1:0 durch ein Tor von Heiko Lässig, blieb anschließend dann aber in den acht Spielen bis zur Winterpause ohne einen einzigen Sieg. Dennoch hatte das Team gezeigt, dass es in der Lage ist, um den Aufstieg mitzuspielen. Die Abwehr um Helmut Rahner, Sergei Gorlukowitsch, Alexander Kutschera und Kapitän Heiko Peschke zählte zu den stärksten der Liga. Mit der Rückkehr von Horst Steffen, der nach zwei Spieltagen von Borussia Mönchengladbach ausgeliehen wurde, hatte man wieder einen spielstarken Regisseur im Mittelfeld und mit den Youngstern Sebastian Hahn und Markus Feldhoff hatten sich zwei Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in die Mannschaft gespielt, mit deren Durchbruch vor der Saison nicht unbedingt zu rechnen war.

In der Rückrunde starteten die Uerdinger voll durch

In der Winterpause wurde mit Ralf Geilenkirchen von Eintracht Braunschweig ein Ersatz für die Langzeitverletzten Dirk Krümpelmann und Mario Posch geholt. In der Rückrunde starteten die Uerdinger dann voll durch und kletterten schon am 23. Spieltag mit einem 2:0-Auswärtssieg in Meppen auf einen Aufstiegsplatz.

Für die „Sechzger“ verlief der Start in die Rückrunde dagegen sehr holprig und alles andere als gut. Zunächst waren die Löwen von zwei Spielausfällen betroffen und leisteten sich anschließend vier Niederlagen in Serie. Damit war der Vorsprung verspielt und 1860 fiel sogar auf Rang 4 zurück, hatte allerdings noch zwei Nachholspiele in der Hinterhand.

Im Laufe der Rückrunde spitzte sich der Kampf um die ersten drei Ränge, die damals alle drei zum direkten Aufstieg berechtigten, immer mehr zu. Während der VfL Bochum sich an der Tabellenspitze festsetzte, rangelten sich neben Uerdingen und 1860 mit Saarbrücken, St. Pauli, Mannheim und Rostock lange Zeit insgesamt sechs Teams um die zwei weiteren Aufstiegsplätze.

Direktes Duell im Grünwalder Stadion

Am 31. Spieltag kam es im Grünwalder Stadion zum direkten Duell zwischen dem Vierten 1860 München und dem Dritten Uerdingen. Beide waren zu diesen Zeitpunkt punktgleich, aber die Uerdinger hatten das um einen Treffer bessere Torverhältnis. 27.000 Zuschauer sorgten an jenem Freitagabend für eine stimmungsvolle Kulisse und die Uerdinger erkämpften sich vor allem dank Torwart Bernd Dreher ein torloses Remis.

Bochumer Torhüter trifft Trockeneis am Kopf

Gut eine Woche später empfingen die Blau-Roten dann Tabellenführer Bochum und holten einen wichtigen 3:1-Heimsieg, über den sich nach dem Abpfiff aber keiner so richtig freuen konnte. Denn beim Zwischenstand von 0:1 wurde VfL-Torhüter Andreas Wessels kurz nach der Pause von einem faustgroßen Stück Trockeneis am Hinterkopf getroffen. Ein 16-jähriger Krefelder hatte das Geschoss einem der mobilen Eisverkäufer stibitzt und von der Osttribüne aus auf das Feld geworfen. Nach einigen Minuten Unterbrechung ließ sich der Bochumer Keeper auswechseln und die Partie konnte fortgesetzt werden. Im Laufe der 2. Halbzeit kämpfte sich Uerdingen zurück ins Spiel und drehte die Partie noch durch Tore von Frank Weber (67. und 85.) sowie Günter Bittengel (82.). Erwartungsgemäß legte Bochum jedoch Protest gegen die Wertung des Spiels ein.

Eine Niederlage am grünen Tisch hätte einen herben Rückschlag im so engen Aufstiegsrennen bedeutet. Doch der DFB berücksichtigte bei seinem Urteil, dass der Verein im Vorfeld alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hatte und das Geschoss nicht aus dem Fanblock kam. Zudem hatte man schon vor der Verhandlung freiwillig ein Fangnetz vor der Osttribüne errichtet und verzichtete künftig auch auf Trockeneis. Dies führte alles dazu, dass Uerdingen ein Punktabzug und eine Platzsperre erspart blieben, sondern ein Wiederholungsspiel angesetzt wurde.

DFB lässt Spiel gegen Bochum wiederholen

Dieses wurde vor dem vorletzten Spieltag ausgetragen. Zu diesem Zeitpunkt stand Bochum aber bereits als Aufsteiger fest und dahinter kämpften noch Uerdingen, München und St. Pauli um die zwei weiteren Aufstiegsplätze. Uerdingen lag einen Zähler vor den beiden punktgleichen Konkurrenten und konnte seine Pole-Position im Aufstiegsrennen mit einem Sieg gegen Bochum auf drei Punkte ausbauen. Die Blau-Roten feierten einen klaren 3:0-Erfolg und hatten damit dann die mit Abstand besten Karten, den Aufstieg im Saisonfinale perfekt zu machen.

Ein Sieg im Heimspiel gegen Hertha BSC hätte dafür schon gereicht, doch die Uerdinger kamen gegen die abstiegsgefährdeten Berliner nicht über ein 0:0 hinaus. Nach dem Abpfiff stürmten die Uerdinger Fans dennoch den Platz und feierten bereits den Aufstieg, da man auf Platz 4 nicht nur zwei Punkte Vorsprung hatte, sondern auch ein um zehn Treffer besseres Torverhältnis. Trainer Friedhelm Funkel mahnte aber dennoch zur Vorsicht und wollte vom Aufstieg noch nichts wissen. Denn sowohl München als auch St. Pauli hatten ihre Heimspiele klar gewonnen und Uerdingen war damit zumindest rein rechnerisch eben noch nicht durch.

Happy End: 1860 und Uerdingen steigen in die Bundesliga auf

Am letzten Spieltag hätte Uerdingen beim Auswärtsspiel in Mannheim schon gewaltig unter die Räder kommen müssen, um den Aufstieg noch zu verspielen. Die zwei Zähler dahinter liegenden, punktgleichen Verfolger lieferten sich dagegen ein echtes Herzschlagfinale. 1860 musste nach Meppen und St. Pauli nach Wolfsburg. Den Kiezkickern versagten am Ende offensichtlich die Nerven, denn St. Pauli unterlag in Wolfsburg 1:4, wodurch die Entscheidung um den Aufstieg auch schon ohne das Zutun von Uerdingen und 1860 gefallen war.

Die Löwen siegten in Meppen mit 1:0 durch einen Treffer von Peter Pacult und machten damit den sensationellen Durchmarsch in die Bundesliga endgültig perfekt. 8.000 Fans hatten die Mannschaft ins Emsland begleitet und feierten die Rückkehr in die Bundesliga nach 13 Jahren entsprechend ausgelassen. Zurück in München stieg eine große Aufstiegsparty im „Pschorr-Keller“, ehe die Aufstiegshelden am nächsten Tag von über 20.000 begeisterten Fans auf dem Marienplatz gefeiert wurden.

Den Uerdingern reichte eine 0:2-Niederlage, um Platz 2 vor den Löwen zu verteidigen und auch in Mannheim war der Jubel grenzenlos. Die Mannschaft feierte mit den mitgereisten Fans auf dem Rasen des Carl-Benz-Stadions und die Spieler streiften sich die Aufstiegsshirts mit dem legendären Slogan „Immer wieder aufsteigbar“ über. Die Rückfahrt wurde zu einer großen Party und am Abend folgte eine riesige Aufstiegsfeier auf dem Cityfest „Krefelder Cocktail“.

Stehend: Co-Trainer Achim Reutershahn, Mannschaftsärzte Dr. Dietmar Alf und Dr. Thomas Pauly, Trainer Friedhelm Funkel, Masseur Jürgen Dolls & Betreuer Hennes Strater Mittlere Reihe: Zeljko Dakic, Heiko Peschke, Markus Feldhoff, Mario Posch, Axel Jüptner, Helmut Rahner, Heiko Laessig, Günter Bittengel, Gerd Kühn, Dirk Krümpelmann, Alexander Kutschera & Frank Weber Vorne: Bernd Dreher, Stephan Küsters, Edmund Rottler, Sergej Gorlukowitsch, Horst Steffen

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