Das Jahrhundertspiel gegen Dresden

Treue. Liebe. Tradition.

Diesmal geht es im Rückblick auf die Uerdinger Vereinsgeschichte um das legendäre 7:3 gegen Dynamo Dresden im Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger 1986, welches als „Wunder von der Grotenburg“ in die Fußballgeschichte einging.

Mit dem Pokalsieg 1985 hatten sich die Uerdinger erstmals für das internationale Geschäft qualifiziert. Damals spielten die Pokalsieger noch in einem eigenen Wettbewerb, dem Europapokal der Pokalsieger. Nach Erfolgen über den maltesischen Vertreter FC Zurrieq und den türkischen Pokalsieger Galatasaray Istanbul traf man im Viertelfinale auf den FDGB-Pokalsieger Dynamo Dresden. Das Hinspiel in Dresden verloren die Uerdinger mit 0:2, das Rückspiel am 19. März 1986 ging als „Wunder von der Grotenburg“ in die Fußballgeschichte ein.

Erstes TV-Live-Spiel aus der Krefelder Grotenburg-Kampfbahn

Die Mannschaft von Dynamo Dresden reiste am Tag vor dem Spiel mit einem Tross von 25 Personen an. Neben 15 DDR-Journalisten wurde die Mannschaft nur von einer Handvoll ausgewählter Fans begleitet, zu denen sich im Stadion noch einige Angehörige der DDR-Botschaft gesellten. Überraschend entschied sich das ZDF für die Übertragung des deutsch-deutschen Duells und gegen das parallel stattfindende Europapokalspiel zwischen Anderlecht und Bayern München. Es war das erste Mal, dass ein Spiel live im Fernsehen aus der Krefelder Grotenburg-Kampfbahn übertragen wurde. Eine Entscheidung, die der Sender nicht bereuen sollte.

Erster Schock nach 55 Sekunden

Die Ausgangslage vor dem Rückspiel war klar: Sollte Dresden ein Tor erzielen, müsste Uerdingen mindestens vier Tore schießen, um weiterzukommen. Die Uerdinger Taktik war daher darauf ausgerichtet, aus einer kompakten Abwehr heraus zwei Tore zu erzielen, um zumindest in die Verlängerung zu kommen. Doch bereits nach 55 Sekunden musste diese Taktik über den Haufen geworfen werden. Nach einem Eckball köpfte Ralf Minge unbedrängt aus sechs Metern zur 1:0-Führung für die Gäste ein.

Es folgte ein Sturmlauf der Hausherren, der in der 13. Minute mit dem 1:1 belohnt wurde. Torschütze war Wolfgang Funkel – ebenfalls per Kopf. Uerdingen versuchte weiter Druck zu machen, lief aber immer wieder in gefährliche Konter der Dynamos.

Zuschauer machen sich mit dem Halbzeitpfiff enttäuscht auf den Heimweg

Nach 20 Minuten vergaben Wolfgang Schäfer und Friedhelm Funkel gute Chancen zur Uerdinger Führung. Stattdessen traf der Dresdner Frank Lippmann in der 35. Minute zum 2:1. Nach diesem fast schon vorentscheidenden Dynamo-Treffer versetzte Rudi Bommer den Uerdingern mit einem unglücklichen Eigentor zum 1:3 kurz vor Ende der ersten Halbzeit den scheinbar endgültigen K.O..

Da man mit diesem blamablen Rückstand zur Pause eigentlich schon ausgeschieden war, machten sich viele der 22.000 Zuschauer schon beim Halbzeitpfiff enttäuscht auf den Heimweg.

Auch beim ZDF häuften sich nun die telefonischen Beschwerden, dass der Sender die Bayern nicht übertragen hatte. In der Uerdinger Kabine wurde derweil beim Pausentee nicht viel geredet. Auch wenn man nicht mehr an ein Weiterkommen glaubte, wollte man sich in der zweiten Halbzeit wenigstens anständig aus dem Europapokal verabschieden. Vor allem die drohende Blamage vor dem Millionenpublikum an den Fernsehgeräten packte die Uerdinger Spieler noch einmal an der Ehre.

Bei Dresden kam zur zweiten Halbzeit der junge Torhüter Jens Ramme für den verletzten Bernd Jakubowski. Uerdingen war nach Wiederanpfiff zwar bemüht, tat sich aber gegen die gut stehenden Gäste bis zur 58. Minute schwer, ehe Wolfgang Funkel mit einem Foulelfmeter auf 2:3 verkürzte.

Dramatischer wurde das Spiel von Minute zu Minute

Plötzlich ging alles ganz schnell: In der 65. Minute gelang dem Isländer Larus Gudmundsson der Ausgleich und nur zwei Minuten später drehte Wolfgang Schäfer die Partie mit seinem Treffer zum 4:3 sogar zu Gunsten der Uerdinger. Mit diesem Doppelschlag war plötzlich auch die Kulisse wieder voll da und skandierte euphorisch: „Nur noch zwei…!“. Viele Fans, die schon auf dem Heimweg waren, kehrten nun ins Stadion zurück. Der Glaube an ein Wunder war zurück und die Partie wurde von Minute zu Minute dramatischer.

In der 78. Minute setzte der für Franz Raschid eingewechselte Dietmar Klinger zu einem unwiderstehlichen Solo an, das er mit einem Flachschuss zum 5:3 abschloss. Nun gab es kein Halten mehr und die Zuschauer tobten. Zwölf Minuten vor Schluss fehlte nur noch ein Treffer, um die Sensation perfekt zu machen.

Wildfremde Menschen lagen sich jubelnd in den Armen

Nur eine Minute später klärte Dynamo-Legende Dixie Dörner mit der Hand auf der Linie und der Schiedsrichter zeigte folgerichtig auf den Punkt. Wieder trat Wolfgang Funkel zum Elfmeter an und hielt dem enormen Druck stand. Er behielt die Nerven und verwandelte sicher ins linke untere Eck zum 6:3, mit dem Uerdingen ins Halbfinale einzog. Das Stadion stand Kopf und wildfremde Menschen lagen sich jubelnd in den Armen. Dem Torschützen kullerten ein paar Freudentränen über die Wange, auch weil die wahnsinnige Last des Treffers von ihm abfiel.

Hatte man die Zeit eben noch als knapp empfunden, schienen die verbleibenden elf Spielminuten plötzlich unendlich. Torhüter Werner Vollack versuchte die Zuschauer zu weiteren Anfeuerungsrufen zu animieren. Ein Tor für Dresden und alles wäre umsonst gewesen. Dynamo warf noch einmal alles nach vorn und machte mächtig Druck. Die beste Dresdner Chance in der 85. Minute durch Matthias Döschner fischte der Uerdinger Torhüter im letzten Moment mit einem tollen Reflex aus dem Winkel.

Mitten in dieser Drangphase leitete Wolfgang Funkel mit einem wuchtigen Kopfball aus dem eigenen Strafraum einen Konter über Wolfgang Schäfer ein. Der Uerdinger Stürmer überlief mit dem Ball die aufgerückte Dynamo-Abwehr und machte mit dem 7:3 die Sensation endgültig perfekt.

Kurze Zeit später ertönte der Schlusspfiff und niemand konnte so recht glauben, was in den letzten 45 Minuten passiert war. Auf dem Spielfeld brach ein regelrechtes Chaos aus und es spielten sich unbeschreibliche Jubelszenen ab. ZDF-Reporter Rolf Töpperwien versuchte verzweifelt, einen der inzwischen trikotlosen Helden ans Mikrofon zu bekommen. „Oh wie ist das schön“, hallte es minutenlang aus den Kehlen der völlig begeisterten Fans. Nach einer unglaublichen Aufholjagd standen die Uerdinger im Halbfinale des Europapokals. Das „Wunder von der Grotenburg“ war vollbracht.

Das Fußballmagazin „11Freunde“ kürte das Spiel 2007 zum „größten Fußballspiel aller Zeiten“ und die „Sport-Bild“ zählte es 2017 zu den „30 größten Sensationen des deutschen Sports“.

Videos

Zusammenfassung des Spiels

Dokumentation: Das Wunder von der Grotenburg

Das Jahrhundertspiel in voller Länge

Statistik

Uerdingen: Vollack, Herget, Dämgen, W. Funkel, Bommer, F. Funkel, Raschid (52. Klinger), Feilzer, Buttgereit, Gudmundsson (74. Loontiens), Schäfer

Dynamo Dresden: Jakubowski (46. Ramme), Dörner, Trautmann, Döschner, Häfner, Minge, Kirsten, Pilz, Stübner, Sammer (29. Gütschow), Lippmann

Tore: 0:1 Minge (1.), 1:1 W. Funkel (13.), 1:2 Lippmann (35.), 1:3 Eigentor Bommer (42.), 2:3 W. Funkel (58., Foulelfmeter), 3:3 Gudmundsson (63.), 4:3 Schäfer (65.), 5:3 Klinger (78.), 6:3 W. Funkel (79., Handelfmeter), 7:3 Schäfer (86.)

Schiedsrichter: Nemeth (Ungarn)
Zuschauer: 22.000

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