Der „Brasilianer“ Karl-Heinz Wöhrlin

Treue. Liebe. Tradition.

Diesmal geht es um unseren ehemaligen Defensivspezialisten Karl-Heinz Wöhrlin, der mit Uerdingen 1985 den DFB-Pokal gewann. Aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und seines südländischen Aussehens wurde ihm von seinen Mitspielern damals der Spitzname „Brasilianer“ verpasst.

Als Karl-Heinz Wöhrlin am 24. August 1984 im Bremer Weserstadion mit Uerdingen sein Debüt in der Bundesliga gab war er bereits 27 Jahre alt. Durch seine konstant starken Leistungen in der 2. Bundesliga hätte er den Schritt ins Fußballoberhaus eigentlich schon früher wagen können. Der gebürtige Schwenninger galt jedoch als sehr heimatverbunden und schlug entsprechende Angebote immer wieder aus. Ein Jahr bevor der hartnäckige Uerdinger Manager Reinhard Roder ihn endlich von einem Wechsel überzeugen konnte, lehnte er sogar eine Offerte des renommierten AS Monaco ab.

Karl-Heinz kam 1984 vom SC Freiburg nach Uerdingen und hat in den nächsten Jahren die große Phase des Vereins mitgeprägt. Er war ein Musterschwabe, bodenständig und bescheiden. Für einen Abwehrspieler verfügte er über eine außergewöhnlich gute Technik, so dass er viele brenzlige Situationen oft spielerisch lösen konnte. Mit seiner Schnelligkeit hat er sich immer wieder gefährlich mit in das Offensivspiel eingeschaltet.

Werner Vollack (meine-traumelf.de)

Fußballerische Anfänge im Schwarzwald

Seine Profilaufbahn startete er mit 19 Jahren beim BSV Schwenningen, der 1976 von der Amateurliga Schwarzwald-Bodensee in die 2. Liga Süd aufgestiegen war und sich dafür mit dem Talent von Alemannia Zähringen verstärkte. Der Youngster absolvierte 35 Einsätze und zählte schon in seinem ersten Profijahr zu den fünf besten Spielern der 2. Liga Süd. Trotz des Abstiegs blieb Wöhrlin ein weiteres Jahr in Schwenningen, ehe er 1978 zum damaligen Zweitligaaufsteiger SC Freiburg wechselte. Neben Joachim Löw, der zeitgleich nach Freiburg gekommen war, zählte er zu den Leistungsträgern, die dem SC Freiburg den Klassenerhalt sicherten. Im Breisgau wurde der Abwehrchef schnell zum Publikumsliebling und blieb insgesamt sechs Jahre beim heutigen Bundesligisten.

Lieber Uerdingen als Werder Bremen

Nach 197 Zweitligaspielen für den SC Freiburg kam es 1984 der Wechsel nach Krefeld. Beim Werben um Wöhrlin stachen die Uerdinger damals den SV Werder Bremen aus, dessen Trainer Otto Rehhagel den schnellen Defensivspezialisten ebenfalls im Auge hatte. Ein entscheidender Grund für seine Wahl war, dass die Chancen auf einen Stammplatz in Uerdingen realistischer erschienen.

Mit Karl-Heinz Feldkamp hatte gerade ein neuer Trainer das Team übernommen, das im Jahr zuvor als Aufsteiger überraschend die Klasse halten konnte. Dies war den Uerdingern vor allem durch bedingungslosen Offensivfußball geglückt. In der Abwehr waren die Blau-Roten jedoch sehr anfällig, sodass Feldkamp speziell in diesem Bereich Handlungsbedarf sah. Aus finanziellen Gründen suchte man entsprechende Verstärkungen in der 2. Bundesliga und landete mit Wolfgang Funkel von Rot-Weiß Oberhausen und Karl-Heinz Wöhrlin vom SC Freiburg zwei Volltreffer.

Wöhrlin verdiente sich Bestnoten gegen Nationalspieler

Während Wöhrlin in Freiburg sich als Libero einen Namen gemacht hatte, spielte er in Uerdingen überwiegend als Außenverteidiger. Weder die neue Position, noch die Umstellung auf die höhere Spielklasse bereiteten ihm Schwierigkeiten. Direkt bei seinem bereits erwähnten Debüt in Bremen stellte er Werder-Routinier Uwe Reinders kalt. Beim legendären 5:1-Auswärtssieg der Uerdinger in Köln verdiente er sich kurz darauf Bestnoten gegen Nationalspieler Klaus Allofs und wurde damals sogar vom Kölner Trainer Hennes Löhr für seinen starken Auftritt gelobt. Sein wohl bestes Spiel machte er eine Woche später beim 3:2-Heimsieg gegen den amtierenden Deutschen Meister VfB Stuttgart, als er den belgischen Nationalspieler Nico Claesen komplett abmeldete.

Ob der Dortmunder Marcel Răducanu, der Schalker Olaf Thon, der Hamburger Thomas von Heesen, der Leverkusener Herbert Waas, der Düsseldorfer Hasse Holmqvist, der Gladbacher Uwe Rahn oder der Lauterer Thomas Allofs – sie alle hatte der „Brasilianer“ fest im Griff. Er kam dabei fast ohne Fouls aus und bestach durch seine faire Spielweise. Hinzu kamen seine Schnelligkeit, sein starkes Stellungsspiel und seine gute Ballführung. Auch sein Spielaufbau und sein Offensivdrang waren bemerkenswert. Beim 3:2-Heimsieg am 2. November 1984 gegen Borussia Mönchengladbach erzielte er dann sogar sein erstes Bundesligator.

Teamchef Beckenbauer beobachtete Wöhrlin der Grotenburg

Am Ende der Hinrunde 1984/85 stellten die Uerdinger gemeinsam mit Bayern München die beste Defensive der Bundesliga und Karl-Heinz Wöhrlin wurde vom Fachblatt Kicker-Sportmagazin in der „Rangliste des Deutschen Fußballs“ vor der HSV-Legende Manfred Kaltz zum besten Außenverteidiger der Hinserie gewählt.

Zwangsläufig wurde man auch beim DFB auf den Uerdinger aufmerksam und so wurde Wöhrlin in den vorläufigen Kader der Deutschen Nationalmannschaft für das WM-Qualifikationsspiel am 16. Dezember 1984 auf Malta berufen. Der damalige Teamchef Franz Beckenbauer kam im Vorfeld der Partie extra noch einmal persönlich in die Grotenburg-Kampfbahn, um Wöhrlin beim Heimspiel am 8. Dezember 1984 gegen Arminia Bielefeld zu beobachten. Der Besuch des „Kaisers“ verlief für den Uerdinger aber leider sehr unglücklich. Seinen japanischen Gegenspieler Kazuo Ozaki meldete er zwar komplett ab, aber im Spiel nach vorne konnte er kaum etwas zeigen. Dies war dann letztendlich dann auch der Grund, warum er als einer von insgesamt vier Spielern aus dem vorläufigen Aufgebot noch gestrichen wurde. Bitter für Wöhrlin, denn er hatte sich nur an die taktische Vorgabe seines Trainers Kalli Feldkamp gehalten, er solle sich gegen Bielefeld ausschließlich auf seine Abwehraufgaben beschränken.

Wöhrlin wuchs im DFB-Pokalfinale über sich hinaus

In der Winterpause 1984/85 musste sich Wöhrlin einer Nasenoperation unterziehen und hatte anschließend keinen guten Start in die Rückrunde. Im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Werder Bremen hatte er kurz vor der Pause einen schlimmen Blackout. Ein Einwurf von Wöhrlin in der eigenen Hälfte landete genau auf dem Kopf von Rudi Völler. Dieser leitete den Ball auf Uwe Reinders weiter, der zum 0:1 einschob. Mit vereinten Kräften drehten die Uerdinger die Partie aber nach der Pause noch durch Treffer von Matthias Herget und Larus Gudmundsson und zogen damit ins Halbfinale ein. Wöhrlin fiel damals ein großer Stein vom Herzen, dass sein Fehler ohne Konsequenzen blieb.

Durch einen Sieg über den 1. FC Saarbrücken erreichte man anschließend sogar sensationell das Pokalfinale. Vor dem Endspiel in Berlin gegen den FC Bayern München hatte Wöhrlin längst zu seiner überragenden Form der Hinrunde zurückgefunden. Nachdem er in den beiden Ligaspielen gegen die starken Münchner seine Probleme gehabt hatte, wuchs Wöhrlin im Finale über sich hinaus. Sein Gegenspieler war der quirlige Flügelflitzer Ludwig „Wiggerl“ Kögl. Der junge Münchner hatte in der laufenden Saison den Durchbruch bei den Bayern geschafft und seine Bewacher in der Bundesliga reihenweise schwindlig gespielt. Im Finale ließ Wöhrlin ihm aber keine Chance und gewann das Duell klar für sich. Außenseiter Uerdingen siegte hochverdient mit 2:1 und holte den DFB-Pokal. Wöhrlin, der bei allen sechs Pokalspielen der Saison 1984/85 zum Einsatz kam, hatte großen Anteil an diesem bis heute größten Erfolg der Vereinsgeschichte.

Gegen Barcelonas Gary Lineker lieferte er eine seiner besten Leistungen ab

Auch in seiner zweiten Saison 1985/86 war Wöhrlin Stammspieler und Leistungsträger. Uerdingen wurde am Ende der Spielzeit nach einer Serie von 22:2 Punkten als beste Mannschaft der Rückrunde Dritter in der Abschlusstabelle und zog im Europapokal der Pokalsieger ins Halbfinale ein. Im Europacup bestritt Wöhrlin fünf der acht Begegnungen – fehlte aber beim legendären 7:3-Erfolg über Dynamo Dresden.

In seinem letzten Jahr in Krefeld – der Saison 1986/87 – kam Wöhrlin dann nur noch auf 22 Einsätze in der Bundesliga. Kleinere Verletzungen machten ihm zu schaffen und sorgten für zwischenzeitliche Formschwankungen. Im DFB-Pokal stand er jedoch in allen vier Spielen in der Startelf – auch beim unvergesslichen 6:4 n.V. über den VfB Stuttgart. Hinzu kamen auch noch drei Einsätze im UEFA-Pokal, wo er beim Heimspiel gegen den FC Barcelona eine seiner besten Leistungen ablieferte und den damals amtierenden WM-Torschützenkönig Gary Lineker 90 Minuten nicht zur Entfaltung kommen ließ.

Im Sommer 1987 wechselte er in seine badische Heimat zum Bundesliga-Aufsteiger Karlsruher SC, wo er unter Trainer Winfried Schäfer zur 35 weiteren Bundesligaspielen und drei Einsätzen im DFB-Pokal kam, ehe er 1989 seine Profilaufbahn im Alter von 32 Jahren schließlich beendete.

Inzwischen ist Wöhrlin, Onkel der beiden Bundesliga-Spieler Marco und Daniel Caligiuri, als Verkaufsberater für Gebrauchtwagen in Donaueschingen tätig.

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